01.04.13

Oh Gott, hab ich Hunger!

Eucharistiefeier mit Wein und Brot [3]
Nachdem ich gerade meinen Ostersonntag damit verbracht habe über Religion und deren Einfluss auf Weltsichten zu diskutieren und gemeinsam mit Freunden zu Kochen und zu Essen, kam mir der Gedanke inwiefern Essen und Religion verbunden sind. Wie Beth Dougan es beschreibt: "Religion und Essen waren seit Anbeginn der Zeit untrennbar. Weil Religion und Essen Teil des Lebens und Teil der Festlichkeiten großer Meilensteine im Leben sind, bleiben die beiden in jeder modernen Kultur miteinander verbunden."[1]

Die Frage, die ich mir stelle ist allerdings: Erklärt das warum zumindest die drei großen monotheistischen Religionen so strikt regeln was erlaubt ist und was verboten ist? Ist das nur Ausdruck einer kulturellen Entwicklung oder ein Ausdruck des Glaubens der untrennbar in der Religion selbst verwurzelt ist? Um ehrlich zu sein weiß ich nicht genug über die Materie um dies abschließend beantworten zu können aber ich denke es lohnt sich dennoch einen Blick darauf zu werfen. 

Es ist davon auszugehen, dass Menschen während des Großteils ihrer Existenz aßen, was sie finden und fangen konnten. [2] Mit den Religionen jedoch wurden auch mehr oder weniger strenge Regeln aufgestellt was als Nahrung akzeptabel oder verboten ist. Zudem ist Essen und/oder Trinken sehr eng mit Symbolik und Ablauf von religiösen Festen verbunden. Man denke nur an Brot und Wein als Leib und Blut Jesu im Christlichen Gottesdienst.

Dass Nahrung als so wichtiger Bestandteil des Lebens auch von religiösen Weltanschauungen aufgegriffen und interpretiert wird ist verständlich. Warum jedoch das trennen von 'guter Nahrung' und 'schlechter Nahrung" wie zum Beispiel 'ḥalāl' und 'harām' im Islam oder dem Begriff des Koscheren im Judentum? Ebenso wird im Christentum gefastet und es wird noch heutzutage in fast jeder Kantine Freitags Fisch serviert. Es kommen mir mehrere Erklärungen hierzu plausibel vor.
Am ehesten spielen diese wohl alle gemeinsam eine gewisse Rolle und ich stelle hier erst einmal voran, dass ich als Prämisse nicht davon ausgehe, dass diese Regeln von einem höheren Wesen erlassen wurden sondern einzig und allein gesellschaftlich und von Menschenhand entstanden. Religiöse Menschen dürfen hier natürlich gerne widersprechen.

Erstens sprechen die Verzehrregeln für mich dafür, dass die Gesellschaft in der sie entstanden eine gewisse Nahrungsmittelsicherheit oder Kontinuität in der Produktion von Essen hatten. Wäre das nicht der Fall gewesen und die Art der Nahrung hätte sich innerhalb von Generationen aufgrund von Migration oder Umwelteinflüssen stark verändert ist es unwahrscheinlich, dass so spezifisch auf vorhandene Nahrung als gut/schlecht eingegangen worden wäre. 
Buddhistische Novizen beim Sammeln von Essensspenden [4]
Ich glaube also, dass eine ausgeprägte Esskultur bestand, innerhalb der der Verzicht auf gewisse Nahrungsmittel als Demut und Gehorsam gegenüber der Gottheit ausgelegt wurde und sich die oder der Gläubige dadurch spirituell und gegenüber anderen besser stellen konnte. Der Verbot von bestimmten Tieren zum Beispiel spricht ja auch dafür, dass diese Tiere grundsätzlich sehr wohl als essbar galten. 

Eine andere Erklärung ist, dass Religionen durch Verzehrregeln Gesundheitsrisiken ausschließen sollten, wie zum Beispiel leicht verderbliches Schweinefleisch im heißen Mittelmeerraum.

Zuletzt denke ich, dass zumindest im Laufe der Zeit und mit dem Entstehen von verfestigten Strukturen (Kirchen, Schulen, Glaubensströmungen, mehr und mehr Interpretationen und Texte) Nahrung auch ein Mittel war die Gesellschaft zu ordnen und zu kontrollieren. Das Verbot von Alkohol im Islam zum Beispiel könnte als Schutz vor dessen Missbrauch ausgelegt werden und insgesamt ist es sehr leicht durch Feste, Essen und deren Beschaffung, Zubereitung und Konsum eine gewisse Gruppenbildung zu fördern. Essen ist eine soziale Handlung und verbindet. Wer anders isst, ist leichter ausgeschlossen und abgegrenzt. Nahrungsspenden, Sammlungen von Mönchen (wie im Buddhismus) und ähnliche Einrichtungen schaffen weiter einen Sinn für Abhängigkeit und Verantwortung innerhalb der Gruppe oder der Gruppe gegenüber anderen. Der Schutz des eigenen Glaubens vor fremden Einflüssen sowie der Zusammenhalt der Gruppe ist dadurch leichter zu gewährleisten.
Dies alles sind meine eigenen Spekulationen und inwiefern sie zutreffen und ganz oder zum Teil wahr sind gehört wohl untersucht. Ich finde das Thema auf jeden Fall spannend!

[Zitate teilweise vom Autor ins Deutsche übersetzt]
[1] Dougan, B. Religion and Food ServiceCornell Hotel and Restaurant Administration Quarterly;Vol. 35, Issue 6, 1994, pp.80-86.

[2] Hirschfelder, Gunther. Europäische Esskultur - Geschichte der Ernährung von der Steinzeit bis Heute. Frankfurt, Campus, 2005.
[3] Foto by: stlyouth@Flickr [CC BY-NC-SA 2.0]
[4] Foto by: Tevaprapas Makklay via Wikimedia [no copyright]

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